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Vereinsgründer Friedrich Thoma

Dirigent und Lehrer als Revolutionsfreund ausfindig gemacht

    Bislang war über den Mann, der vor 140 Jahren den Gesangverein "Sängerbund" Wiesental aus der Taufe hob, kaum etwas bekannt. Die erste Information gibt die Vereinschronik von 1922, in der es heißt: "Der Gesangverein Sängerbund Wiesental wurde im Jahre 1862 von Herrn Hauptlehrer Thoma gegründet, der denselben bis zum Jahre 1888 dirigierte."

Einige Seiten später taucht in dem kleinen Festbuch nochmals der Namen auf: Thoma, der "in Wiesental seinen Wohnsitz hatte und sich noch einer bewundernswerten
Rüstigkeit erfreuen durfte", sollte das 40-jährige Jubiläum persönlich mitfeiern. "Am 21. April 1902 ereilte ihn plötzlich infolge eines Schlaganfalles der Tod", ist über den Vereinsgründer weiter zu erfahren. Mehr jedoch nicht.

Doch woher kam der Mann, der den ersten kulturellen Verein in der Gemeinde etablierte? Von dem wohl die Initiative ausging, in dem 2000-Seelen-Dorf Wiesental einen Gesangverein, wie beispielsweise in Bruchsal, Mingolsheim, Kronau und Philippsburg bereits geschehen, ins Leben zu rufen. Der 14 Männer im Alter von 16 bis 34 Jahren um sich scharte und aus dieser bunt zusammengewürfelten Truppe, bestehend aus Landwirten, Handwerkern, einem Bahnwart, einem Totengräber und einem angehenden Ratschreiber, einen aufwärts strebenden, erfolgreichen Chor formierte.

Friedrich Thoma, am 3. Mai 1821 geboren, stammte aus Königheim bei Tauberbischofsheim. Bereits im Alter von 19 Jahren war er Hilfslehrer in Siegelsbach, dann Hauptlehrer in Schillingstadt, Dienstadt und Großsachsen. Zum 1. Mai 1862 trat Thoma aufgrund der angeordneten "Übertragung des katholischen Schul-, Mesner- und Organistendienstes" seine neue Dienststelle in Wiesental an und zog in die Lehrerwohnung unter das Rathausdach.

Mit 22 Jahren hatte er die 21-jährige Susanne Büttner geheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Emilia, (geboren 1844), Ida (1846) und Maximilian (1855). Erst 1895 - im Alter von fast 74 Jahren - wurde Thoma in den Ruhestand versetzt.

1862 war jedoch ein Lehrer mit "Vergangenheit" in die kleine badische Gemeinde abgeordnet worden. Denn 1853 wusste der "Großherzogliche Katholische Ober-Kirchenrath" zu berichten: "Diesem Lehrer wurde im Jahr 1849 ein Verweis erteilt, weil er der revolutionären Bewegung nicht fremd geblieben ist; im Jahre 1850 erhielt derselbe wegen ganz ungenügender Leistungen einen weiteren Verweis."

Und in der Personalakte steht weiter: "Zur Zeit der Bewerbung um die Schulstelle Schriesheim war derselbe wegen Störung der öffentlichen Ordnung in eine Untersuchung verwickelt."

In der Tat, denn 1849 - mitten in den Turbulenzen der Badischen Revolution - war der junge aufmüpfige Anhänger der Freiheitsbewegung beschuldigt worden, im Wirtshaus geäußert zu haben: Wenn er einem Offizier begegnen würde, der mit dem Großherzog gezogen sei, so würde er ihn prompt erschießen.

Diese pro-revolutionäre Haltung ist durchaus nachvollziehbar. Thoma kam aus dem Main-Tauber-Gebiet, in dem schon früh erste demokratische Volksvereine entstanden waren. Bekannt sind die Gemeinden Wertheim, Tauberbischofsheim und Mergentheim, wo die Ideen der Freiheitsbewegung großen Anklang fanden. Als Lehrer befasste er sich sicherlich mit den Forderungen nach Demokratisierung im Land.

Thoma stritt bei der Untersuchung des Vorfalls ab, dies im Wirtshaus so gesagt zu haben. Nochmals fiel Thoma - diesmal 1888 in Wiesental - seinen Vorgesetzten unangenehm auf. Der Beamte musste sich dem Vorwurf stellen, "ohne dienstpolizeiliche Erlaubnis Unterricht an der Haushaltungsschule des Pfarrers erteilt zu haben". Thoma argumentierte, dass es sich "versuchsweise" um "eine Probe mit einigen Schülerinnen" handelte, "ob sie Anlagen zum Violinspielen haben".

Obwohl das Verfahren eingestellt wurde, hatte der 67-jährige vermutlich die Schnauze voll und beendete sein ehrenamtliches Engagement - auch im "Sängerbund" mit der Übergabe des Dirigentenstabes an seinen 34-jährigen Lehrerkollegen Emil Fritz aus Bermersbach.

Doch Ende gut, alles gut: 1891 erhielt der als Revolutionsfreund, Störer öffentlicher Ordnung und Schwarzarbeiter beschuldigte Pädagoge eine hohe Ehrung durch die Obrigkeit: die Goldene Verdienstmedaille.

(Schmidhuber)